Haushaltsrede von Veronika Buszewski

Rat der Stadt

Herr Oberbürgermeister, verehrte Ratskolleginnen, liebe Zuhörerinnen auf der Tribüne und an den Bildschirmen,

Wir leben in politisch stürmischen Zeiten: In den USA wird ein Faschist Präsident, der mit dem Project 2025 einen Fahrplan zum autoritären Staatsumbau hat. In Berlin zerbricht die Ampel am Ego von Christian Lindner und dessen Fetisch für die schwarze Null. Und auf EU-Ebene drückt die italienische Postfaschistin Giorgia Meloni durch, dass mit Raffaele Fitto erstmalig ein Rechtsradikaler Teil der EU-Kommission ist. In solchen Zeiten müssen wir uns schützend vor die Demokratie stellen.

Das beste Rezept gegen den wachsenden Rechtspopulismus bin hin zu faschistoiden Tendenzen ist eine stabile demokratische Gesellschaft:

Wo Armut abgebaut, Vertrauen in Politik und Gesellschaft wiedererlangt wird und die Menschen nicht immer mehr durch steigende Preise gebeutelt und Abstiegsängste geschürt werden.

Doch was bedeutet das eigentlich?

Geprägt wurde die deutsche Politik der letzten Jahre vor allem durch einen Menschen, der niemals in irgendein politisches Amt gewählt worden ist: Die schwäbische Hausfrau.

Eigentlich sagen nahezu alle relevanten Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler in der Welt: In einer Rezession müssen Staaten Geld in die Hand nehmen und massiv investieren, um die schwächelnde Wirtschaft zu stärken und wieder zum Wachsen zu bringen.

Das beste Beispiel hierfür ist der Inflation Reduction Act in den USA, der dort nicht nur für Wachstum gesorgt hat, sondern auch viele Projekte zum Klimaschutz vorangetrieben hat.

Die deutsche Schuldenbremse dagegen ist weltweit einzigartig.

Kein Staat der Welt beschneidet sich so sehr in der eigenen Handlungsfähigkeit.

Alle schauen nur kopfschüttelnd auf Deutschland und verstehen nicht, warum wir unsere Wirtschaft kaputt sparen und Zukunftsinvestitionen nicht oder nur auf Kosten der sozialen Infrastruktur tätigen.

Alle reden immer von der angeblichen Vererbung von Schulden auf die nächste Generation.

Was wir wirklich vererben, sind eine kaputte Infrastruktur, eine zunehmend zusammengesparte öffentliche Daseinsvorsorge, obendrein ein kaputter Planet aufgrund fehlender Investitionen in den Klimaschutz und eine zerfallende solidarische Gesellschaft.

Lassen Sie uns die schwäbische Hausfrau in den Ruhestand schicken, damit endlich mal Profis ans Werk gehen können!

Auch auf Landesebene ist die Sparwut leider nicht viel kleiner als in Berlin: Die schwarz-grüne Landesregierung spart hier vor allem leider am Sozialen: Die Streichung von 83 Millionen Euro trifft zahlreiche soziale Dienste und Angebote der Freien Wohlfahrt und damit vor allem die Menschen, die in Not- und Krisensituationen Unterstützung benötigen.

Allein 8,2 Millionen Euro davon werden im Bereich von Teilhabe und Integration gekürzt.

Gerade in unserer jetzigen wirtschaftlichen Lage brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Sozialstaat!

Wir müssen den Menschen ihre Abstiegsängste nehmen und klar machen, dass all diejenigen, die Unterstützung benötigen, sie auch bekommen.

Die soziale Kälte, die die Regierungsparteien in Bund und Land hier an den Tag legen, dürfen wir nicht akzeptieren!

Hier vor Ort in den Kommunen spüren wir diese Sparwut natürlich als Erstes:

Wo wir nur hinsehen, fallen wichtige Fördermittel weg. Ein Beispiel hierfür sind die Vätergruppen des Kommunalen Integrationszentrums. Sie leisten tolle Arbeit leisten, aber ab kommenden Jahr werden sie nicht mehr gefördert. Die Stadt übernimmt zwar für nächstes Jahr die Kosten, aber eine Stadt wie Herne kann sich das längerfristig nicht leisten.

Beispiel kostenloses Frühstück an Herner Grundschulen: Bisher gab es die Förderung dafür von einer Stiftung. Diese stellt aber ihre Förderung Ende 2024 ein.

Es kann doch doch nicht sein, dass man für Soziales immer mehr von Sponsoren abhängig ist, statt das als staatliche Aufgabe zu verstehen.

Der städtische Haushalt ist viel zu abhängig von Fördermitteln von Bund und Land als auch mehr und mehr von privaten Investoren,  statt steter Finanzierung.

Wir als Hernerinnen und Herner müssen klar machen: Wir akzeptieren das nicht!

Einen Schritt weiter ist die Stadt Dortmund, die der NRW-Landesregierung mit einer Resolution gesagt hat: Dieser Sparkurs darf nicht weitergehen!

Und noch mehr betonen möchte ich die Demonstration am 13. November in Düsseldorf: Über 32.000 Menschen haben dieser Landesregierung die rote Karte gezeigt und gesagt: Weg mit dem Rotstift von unserer sozialen Daseinsvorsorge!

Eigentlich müssten wir uns als Stadtrat zusammentun und mit einer Stimme Richtung Berlin und Düsseldorf sprechen, dass es so nicht weiter gehen kann!

Wir brauchen endlich stabile Kommunalfinanzen: Wir brauchen endlich  Rahmenbedingungen, unter denen nicht nur die Altschuldenproblematik gelöst wird, sondern auch eine nachhaltige und auskömmliche Finanzierung unseres Gemeinwesens vor Ort garantiert wird.

Und aus dem Grund fordern wir mehr Mut: Solange wir jeden Haushalt, der irgendwie noch „darstellbar“ und damit auch genehmigungsfähig ist, abnicken, wird sich nichts ändern!

Aber schon an anderer Stelle befürchte ich, dass dieser Stadtrat seine Mutlosigkeit zeigt: Die Reform der Grundsteuer B sorgt bei einheitlichem Hebesatz dafür, dass Besitzer von Wohnimmobilien zusätzlich belastet werden, während Gewerbegrundstücke aber stark entlastet werden.

Wir hätten hier die Chance, mit einem differenzierten Hebesatz die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt in Sachen Wohnkosten zu entlasten. Das würde ein Zeichen sein an die Bevölkerung: Wir nehmen Eure Sorgen Ernst.

Überall steigen die Kosten, aber wir setzen da an, wo wir auch als Kommune was machen können. Aber nein, man hat Angst vor Klagen und das sei ja gar nicht rechtssicher.

Dazu gibt es auch andere Gutachten z.B. die des Landes.
3 Rechtsgutachten – 4 Meinungen.

In der Stadt Essen sieht es dagegen anders aus. Hier wird die Schwarz-Grüne Ratskooperation anscheinend Mut zur Differenzierung haben und die Essenerinnen und Essener bei der Grundsteuer für Wohnraum entlasten.

Lieber Frank, Herr Dr. Dudda, liebe Stadtverordnete, ich wünsche mir von Ihnen und Euch genauso viel Mut bei der Entlastung unserer Herner Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie Sie ihn bei dem Engagement für Leuchtturmprojekte wie diese Seilbahn an den Tag legen. Unsere Stadt hätte es verdient. Dieser Grundsteuerhebesatz wird Eigenheimbesitzer und Mieter zusätzlich belasten. Er ist unsozial und das weiß jede und jeder hier im Raum!

Diese Mutlosigkeit in unserer Stadt bemerke ich aber nicht nur bei sozialen Themen, sondern auch bei der Umwelt:

Gefühlt dutzende Papiere zur klimafreundlichen Mobilität, zum Klimanotstand, zur Klimafolgenanpassung, zu Schwammstadt-Konzepten und vielem mehr haben wir hier schon verabschiedet. Doch Papier ist geduldig und die Umsetzung lässt auf sich warten. Hitzewellen, Starkregenereignisse und Fluten werden zunehmend zum globalen Alltag und wir in Herne verzetteln uns in Einzelheiten Rechtsvorschriften. Und beim aktuellen Papierchen, den „Gestaltungsrichtlinien für klimagerechte Straßenräume“ stellt sich obendrein sogar noch die CDU quer und verhindert jeglichen Schritt nach vorne. Es ist einfach nur beschämend, unsere Stadtpolitik muss sozialer und ökologisch nachhaltiger werden.

Doch was ist die Alternative zu all dem?

Unsere Alternative ist eine Gesellschaft, in der niemand alleine gelassen wird. In einer solchen Gesellschaft hätten wir einen aktiven Sozialstaat und eine gute Stadtregierung, die den Menschen vor allem dann unter die Arme greift, wenn es ihnen persönlich schlecht geht. In einer solchen Gesellschaft würden wir aktiv investieren in Klimaschutz, die Bildung unserer Kinder und eine digitale Infrastruktur des 21. Jahrhunderts.

In einer solchen Gesellschaft würden die Multimillionäre und Milliardäre durch gerechte Steuern endlich ihren fairen Anteil leisten zum Wohle der Gesellschaft. Und in so einer Gesellschaft hätten die Trumps, Melonis und Höckes unserer Welt keine Chance.

Und ich höre schon den Vorwurf, wie soll das finanziert werden?

Eigentlich einfach: Umfairteilen von oben nach unten! Eine Vermögens- und Reichensteuer ist möglich und gerecht!

Dieser Haushalt macht keinen Schritt in diese Richtung, sondern eher fünf Schritte zurück! Deswegen lehnen wir ihn als Linke ab.