Redebeitrag zum Tag der Menschenrechte

Patrick Gawliczek

Die Linke Herne/Wanne-Eickel machte am 10. Dezember mit einer Aktion in der Herner Innenstadt auf die Verteidigung des Grundrechts auf Asyl aufmerksam. Der Redebeitrag von Patrick Gawliczek thematisiert das sogenannte Gemeinsame Europäische Asylsystem (kurz: GEAS) und dessen unmenschliche Seiten.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Hernerinnen und Herner,

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ – das ist der erste Artikel unseres Grundgesetzes und das ethische Fundament unserer Gesellschaft. Er verpflichtet uns dazu, die Menschenrechte zu wahren und jedes einzelne menschliche Leben zu schützen, wo immer wir es können – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Der erste Artikel des Grundgesetzes ist ein moralischer Imperativ, das Sterben im Mittelmeer zu beenden und Menschenrechte auch an den EU Außengrenzen zu wahren.

Doch die GEAS-Reform steht im Widerspruch zu diesem Prinzip. Sie sieht eine systematische Abschottung vor. Die GEAS-Reform trifft die Schwächsten am härtesten: Familien, Kinder und besonders schutzbedürftige Personen geraten in ein bürokratisches System, das wenig Rücksicht auf ihre individuellen Bedürfnisse nimmt. Die geplanten Haftlager an den Außengrenzen der EU sind keine Lösung, sondern eine humanitäre Sackgasse. Stellen Sie sich ein Kind vor, das Krieg und Flucht überlebt hat, nur um in einem überfüllten Lager zu landen, wo es an Bildung, Schutz und medizinischer Versorgung fehlt. Wollen wir wirklich so ein Europa?

Nicht nur auf europäischer Ebene wird auf Menschenrechte immer weniger Rücksicht genommen: Auch der politische Diskurs in Deutschland besteht fast nur noch aus „Abschieben! Abschieben! Abschieben!“ – Anlässlich des Sturzes von Diktator Baschar al-Assad werden jetzt zum Beispiel Forderungen nach mehr Abschiebungen in Richtung Syrien laut. Ein Land, das gerade von Dschihadisten erobert worden ist und wo hunderttausende Kurdinnen und Kurden bedroht werden durch terroristische Milizen, die vom türkischen Präsidenten Erdogan unterstützt werden. Alle, die jetzt anfangen, über Abschiebungen nach Syrien zu reden, sind einfach nur Arschlöcher ohne Anstand und Moral. Abschiebungen in Staaten wie Afghanistan, Syrien oder in den Iran müssen ein absolutes No-Go sein. Was speziell Frauen dort erwartet, ist menschenverachtend.

Aber was ist mit den Kosten für die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten? Ich sage Ihnen: Geld ist genug da, aber nicht in den richtigen Händen. In Deutschland besitzen die fünf reichsten Familien mehr als die untere Hälfte der Gesellschaft. Nicht die Geflüchteten gefährden unseren Wohlstand, sondern die enorme Ungleichheit zwischen arm und reich!

Wir müssen eine Alternative finden zu nationaler und europäischer Abschottung: Wir können ein Asylsystem schaffen, das fair, human und effektiv ist. Das bedeutet vor allem: Sichere und legale Fluchtwege schaffen, um Schleppernetzwerke zu schwächen und damit kein Mensch mehr im Mittelmeer ertrinken muss.

Wir müssen aber auch die Fluchtursachen bekämpfen: Die wirksame Bekämpfung von Fluchtursachen erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wurzeln von Flucht adressiert. Dazu gehören der Einsatz für Frieden und Stabilität durch diplomatische Konfliktlösung, die Förderung von Bildung und Arbeitsmöglichkeiten in den Herkunftsländern sowie die Bekämpfung von Armut. Internationale Partnerschaften müssen gestärkt und Klimaschutzmaßnahmen intensiviert werden, da Umweltzerstörung und Klimawandel zunehmend Menschen zur Flucht zwingen. Nachhaltige Entwicklungsprojekte, fairer Handel und die Unterstützung lokaler Initiativen können langfristig Perspektiven schaffen, um Menschen eine Zukunft in ihrer Heimat zu ermöglichen.

Wir müssen Migration aber auch wieder als Chance begreifen: Durch den demografischen Wandel werden in den kommenden Jahren jährlich rund 500.000 mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als junge Menschen neu ins Arbeitsleben eintreten. Der Arbeits- und Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren zunehmend verschlimmern: Statt die Menschen abzuweisen und uns abzuschotten, müssen wir die Menschen willkommen heißen und unsere Integrationsbemühungen bestärken. Wenn wir die neu Zugezogenen mit Ausbildung und Arbeit versorgen, dann können sie genauso ein Wohlstandsmotor werden wie die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter im Zeiten des Wirtschaftswunders.

Jeden Menschen, der zu uns kommt, sollten wir die Chance geben, sich einzubringen und zu unserer Gesellschaft beizutragen. Jeder einzelne Mensch, der dagegen wegen unserer Kaltherzigkeit im Mittelmeer ertrinken muss, ist eine moralische Bankrott-Erklärung für unsere Gesellschaft.

Allein dieses Jahr sind über 1600 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Seit 2014 waren es über 30.000. Lassen Sie uns in einer Schweigeminute innehalten, um der unzähligen Geflüchteten zu gedenken, die auf der Suche nach Sicherheit und Hoffnung ihr Leben im Mittelmeer verloren haben.


Redebeitrag von Patrick Gawliczek zum Tag der Menschenrechte bei einer Veranstaltung von Die Linke Herne/Wanne-Eickel in der Herner Innenstadt, 10. Dezember 2024