Haushaltsrede Klaudia Scholz

Rat der Stadt

Herr Oberbürgermeister, verehrte Ratskolleginnen, liebe Zuhörerinnen auf der Tribüne und an den Bildschirmen,

an dieser Stelle sei es erlaubt, dass wir uns auch schon auf unsere Resolution weiter hinten auf der heutigen Tagesordnung des Rates beziehen.

Was für den mythologischen Sisyphus der schwere Stein ist, ist für die Herner Lokalpolitik der Bereich der Kommunalfinanzen. Trotz schwerster ehrlicher Anstrengungen von allen Seiten, wird die finanzielle Lage unserer Stadt von Jahr zu Jahr schlechter. Ähnlich wie bei der griechischen Sagenfigur können wir unseren Stein aus eigener Kraft niemals den Hügel bis ganz nach oben tragen – Am Ende kullert er uns doch herunter. Während Sisyphus diese ewige Strafe durch die Götter im Olymp erhalten hat, sind es bei uns die Gesetzgeber im Land und Bund, die unser Schicksal besiegeln:

Auf der einen Seite müssen wir einen ausgeglichen Haushalt auf die Beine stellen, aber auf der anderen Seite werden Kommunen nicht hinreichend finanziert, um das Gemeinwohl am Laufen halten und Stadtgesellschaft gestalten zu können.

Die Kämmerei in Herne hat es wieder einmal hingekriegt, einen darstellbaren Haushalt vorzulegen. Alle Achtung, das sah ja bei der Einbringung des Haushalts noch ganz anders aus. Aber die Rahmenbedingungen führen eben auch dazu, dass es im Herner Haushaltsplanentwurf Verwerfungen gibt:

Da gibt es den aktuellen Stellenplan der Stadt Herne. Tatsächlich werden ein paar neue Stellen geschaffen. Andere werden unter „kann wegfallen“ gesetzt, einige Stellen sind durch Förderprogramme zeitlich begrenzt.

Diese unsichere Perspektive für Beschäftigte und die Planung der Stadt muss ein Ende haben. Noch dazu ist ein nicht geringer Teil der geplanten Stellen nicht besetzt. Andererseits gibt es eine Wiederbesetzungssperre von 3 Monaten. Diese Wiederbesetzungssperre muss entfallen.

Da gibt es die Bezirkshaushalte, wo in wesentlichen Bereichen die Haushaltsansätze zurückgefahren werden. Es fragt sich, wie das gehen soll. Da wird immer wieder über die Erhöhung der Grundsteuer nachgedacht, die letztlich auch alle Mieterinnen treffen würde.

Warum denkt man nicht einmal über die Erhöhung der Gewerbesteuer nach, die stattdessen die Unternehmen höher besteuern würde? Es gibt also auch ein paar Ansätze vor Ort, die man verfolgen könnte, wenn man es wollte.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass es Appelle der Herner Politik an die in Bund und Land regierenden Parteien gibt. Aber es sind ja die eigenen, zum Teil regierungsbeteiligten  Parteikolleginnen, an die man sich richtet. Und so bleibt eine deutliche Kritik aus. Mit unserer Resolution finden wir deutlichere Worte und hoffen auf Ihre Unterstützung.

So langsam sind wir die leeren Versprechen satt. Wie oft haben wir schon vom Bund oder vom Land NRW gehört, dass man sich um die Schulden- und Finanzierungsproblematik der Kommunen kümmern würde? Ob Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Große Koalition oder Ampel… Alle nehmen sie den Mund voll, aber geholfen hat uns niemand: Erst kurz vor der letzten Bundestagswahl hat der heutige Kanzler Scholz versprochen: Er kümmere sich um die Altschulden der Kommunen.

Passiert ist gar nichts. Eingetreten ist sogar das Gegenteil: Der aktuellen Haushaltsentwurf von Finanzminister Lindner sieht eine Kürzungsorgie vor, die den Rotstift am Gemeinwesen ansetzt. So trifft der Sparwahn unter anderem den Bereich der Integration von Geflüchteten, politische Bildung, Wohlfahrtsverbände oder das BAföG. Das ist unterm Strich nicht nur unsozial, sondern gar eine Gefahr für unser demokratisches Zusammenleben! Als wäre die Sisyphus-Arbeit vor Ort nicht bereits schlimm genug, legt uns die Bundesregierung hier noch weitere schwere Steine vor die Füße.

Aber Schuld ist nicht nur der Bund. Auch das Land NRW versagt hier auf voller Linie. Ein Beispiel hierfür ist das Förderprogramm ‚Stärkungspakt NRW‘, das unter anderem bedürftige Menschen und soziale Einrichtungen unterstützen sollte, die aktuelle Armuts- und Inflationskrise zu meistern. Einerseits waren die geplanten zwei Millionen Euro an die Stadt Herne nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein und niemals genug, um wirklich was bewirken zu können. Andererseits konnten selbst hiervon über 200.000 Euro nicht abgerufen werden. Die bürokratischen Hürden haben schlicht verhindert, den kompletten Betrag auszuschöpfen. Wir finden: Statt Almosen in Form von Förderprogrammen, die jedes mal mit einen Berg von Papierkram verknüpft sind, brauchen die Kommunen eine auskömmliche Finanzierung, um selbstständig handlungsfähig zu sein.

Genau deswegen haben wir eine Resolution als Beschlussvorschlag für die heutige Ratssitzung eingebracht. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen einen Appell an Bund und Land schicken!

Doch warum nimmt der Bund nicht einfach Geld in die Hand und hilft den Gemeinden? Die Antwort lautet: Pure Ideologie!

2009 wurde die sogenannte Schuldenbremse in das Grundgesetz aufgenommen und diese bestimmt seither die Finanzpolitik jeder Regierung in diesem Land. Dabei gehört es doch zum volkswirtschaftlichen Basiswissen, dass man in einer Krise investieren muss, um die Wirtschaft anzukurbeln und Infrastruktur am Leben zu erhalten. Der Kürzungswahn hat uns marode Schulen, eine unpünktliche Bahn und ein in vielen Fällen lebensgefährlich kaputt gespartes Gesundheitssystem beschert.

Wenn wir unsere Kommunen vor Ort retten wollen, muss dieser Sparzwang aufhören. Warum machen wir es nicht einfach mit einem ‚Sondervermögen’ und setzen die Schuldenbremse mal wieder aus? Was für das Militär geht, muss auch für unsere Städte funktionieren. Ehrlicher wäre es aber auf jeden Fall nach all den Nachtragshaushalten, Klimafonds, Sondervermögen usw. mit den Tricksereien aufzuhören und die Ideologie der ‚schwarzen Null‘ ein für alle mal zu begraben.

Olaf Scholz, befreien sie Sisyphus von seinem Stein und die Stadt Herne von ihrer finanziellen Not!“

 


Haushaltsrede von Klaudia Scholz im Rat der Stadt Herne am 28. November 2023