Rede Veronika Buszewski zum Haushalt 2019

Rat der Stadt

Same procedere as every year?

Sehr geehrte Damen und Herren.

Wir könnten ja all das wiederholen, was wir schon immer in den letzten Diskussionen um den städt. Haushalt gesagt haben: Die Teilnahme am  Stärkungspakt ist ein "vergiftetes" Geschenk. Wir verkaufen unser letztes Tafelsilber wie z.B. Sport- und andere Freiflächen oder RWE-Aktien! Wir erhöhen Gebühren und andere Nutzungsentgelte bis zum geht-nicht-mehr! Wir „stellen“ eine ausgeglichenen Haushalt dar – bar jeglicher Realität, sprich: realen, nachvollziehbaren Zahlen.

Doch das kennen Sie ja alles. Ebenso wie unsere jahrelange Forderung an die im Bund und Land an der Regierung beteiligten Parteien, sich endlich mal um eine auskömmliche Finanzierung der Kommunalfinanzen zu kümmern. - eine dauerhafte, auskömmliche Finanzierung nicht über sonder- oder vereinzelte Förderprogramme.

Darum für heute: Not Same procedere as every year.

Dieses Jahr wollen wir auf die Auswirkungen von Konsolidierungsmassnahmen aufmerksam machen, die zu Lasten der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung gehen: Sprich: Zu Lasten des Personals der Stadt Herne und zu Lasten der Einwohnerinnen, die zu recht Anrecht haben auf eine funktionierende Verwaltung, die ihre Aufgabe auch als "Dienstleister" entsprechend erfüllt!

Das sind u.a.:

  • Wegfall der Anschlussbeschäftigung nach der Ausbildung: Jährliche Einsparung: 350.000 Euro
  • Reduzierung der Ausbildung über Bedarf. Verringerung der Aufwendungen: 200.000 Euro pro Jahr
  • Optimierung der Immobilienfunktionen mit dem Unterpunkt "Verringerung der Aufwendungen bei Perosnalkosten": Kumuliert: 2019 700.000 Euro
  • Streichung von bezahlten Rüstzeiten und Frühstückspausen. Macht nochmal 120.000 Euro pro Jahr
  • Reduzierung der Reinigungskosten in fünf Verwaltungsgebäuden. Verringerung Aufwendungen: 22.000 Euro pro Jahr (ab 21: 51.000 Euro)

Kleine Summen? Peanuts? Stimmt irgendwie. Stimmt im Vergleich zur Maßnahme 63:

  • Die Reduzierung des Personals durch Ausnutzung der Fluktuation - die sogenannte Personalkostenquotierung.

Eine Maßnahme, die uns seit Jahren begleitet. Die erste "verifizierte Zahl" bzgl. Einsparvolumen dieser Maßnahme, die ich fand, stammt noch aus dem Jahr 2008 für 2009 - also vor 10 Jahren: 470.000 Euro.

Heute, 2018, steht sie mit 5,9 Millionen Euro und dem schönen Untersatz "Verringerung der Aufwendungen" im Haushaltsplanentwurf für 2019.

Wir sparen uns zu Tode - zumindest was das Aufgabenfeld der Verwaltung für "ihre" Einwohnerinnen angeht.

Das verdeutlicht auch der Anteil der Personalaufwendungen an den Gesamtausgaben der Stadt Herne: Der sank von 27% im Jahr 2011 auf nur noch 23,76 % im Jahr 2017.

Er sank, obwohl es eine Vielzahl von Stellenneueinrichtungen aufgrund gesetzlicher Erfordernisse gab. Die beiden wichtigsten:

  • Alleine ca. 50 Stellen im FB Feuerwehr!
  • Alle Änderungen beim Kibiz seit 2011 mit über 40 Stellen

Die Verwaltung - und damit besonders das Personal - ist Rückgrad der Kommune. Ohne funktionierende Verwaltung funktioniert keine Stadt.

Herne funktioniert immer weniger - weil gespart wird am Personal:

  • Man munkelt, dass die Genehmigung von einfachen Bauanträgen wie z.B. die Aufstellung eines Carports, bis zu 2 Jahre dauern sollen.
  • Beim Straßenverkehrsamt sollte man sich am besten per Internet einen Termin holen. Denn wegen Personalmangel beträgt die allgemeine Öffnungszeit nur noch 15 Stunden die Woche. (Ob man dann noch "dran" kommt, kann auch bezweifelt werden. Oder wie ist der Hinweis "Das Straßenverkehrsamt Herne behält sich vor, an publikumsintensiven Tagen die Ausgabe der Wartenummern vorzeitig einzustellen!" auf der HP der Stadt zu verstehen?).
  • Nicht notwendige Warteschlangen im Bürgerbüro: An der Tagesordnung.

Es gibt viel mehr Beispiele - auch solche, die der Stadt mittelfristig "Geld" kosten können,

  • Wir leben - sehr zu unserem Leidwesen - in einem Dschungel aus Förderprogrammen jeglicher Coleur. Um diese Gelder in Anspruch zu nehmen, bedarf es eines gewissen Know-Hows und einer entsprechender Arbeitskraft. Ein Know-how, dass die Stadt Herne personell nicht mehr vorweisen kann, weil diese Arbeitskraft fehlt.. Oder wie erklärt sich, das laut Haushaltsplan nur rund  50% der Fördergelder (13 Millionen) für „Gute Schule 2020“ beantragt wurden?

Und es gibt auch Beispiele, die die Demokratie, die Beteiligungsmöglichkeiten einschränken:

  • Oder wie lässt es sich erklären, dass die Verwaltung alleine 2018 bis zum jetzigen Zeitpunkt mehr als 20 Dringlichkeitsentscheidungen sich durch politische Vertreterinnen abnicken ließ - in der Regel damit begründet, dass die Ausschüsse, die Bezirksvertretungen oder der Rat, deren Termine ein Jahr im voraus bekannt sind, immer "zu spät" für einen ordentlichen Beschluss tagen.

Nicht dass Sie, liebe Mitarbeiterinnen der Stadt Herne, uns falsch verstehen: Wir machen Ihnen überhaupt keinen Vorwurf. Wenn Sie etwas aufgrund Arbeitsverdichtung rein technisch nicht mehr leisten können, sind nicht Sie die Schuldigen. Sondern die, die das ermöglicht haben.

Das heißt: Die Politik (also "wir" hier, die den Rahmen vorgeben) und die Verwaltungsspitze, die den Rahmen umsetzen muss.

Apropos Arbeitsverdichtung: Wussten Sie, dass der Anteil der Krankentage in der Herner Verwaltung überproportional hoch ist? Durchschnittlich 26 Tage fehlen krankheitsbedingt Herner Verwaltungsmtarbeiterinnen im Jahr. (Zum Vergleich: NRW-weit sind es „nur“ 18,4 Tage.) Das liegt sicherlich nicht daran, dass wir ungesünder leben!

Das – nebenbei bemerkt – die Beschwerden über Arbeitsüberlastung zugenommen hat, kann auch niemand bestreiten! Sie sollen sogar die Vorzimmer von FB-Leitungen erreicht haben – munkelt man.

Da hilft auch kein „Gesundheitsmanagement“ oder eine „Aktive Mittagspause“, da hilft nur Arbeitsentlastung – durch mehr Personal.

Sehr geehrte Damen und Herren.

Wie ich schon erwähnt habe, stehen 5.9 Millionen Einsparvolumen unter der HSK-Massnahmen 63 - Personalkostenquotierung - geschrieben.

5,9 Millionen hört sich nicht besonders hoch an bei Gesamtausgaben von 500 Millionen Euro.

5,9 Millionen Minderausgaben hört sich auch neutral an, sogar eher positiv denn negativ. Denn: Ausgaben zu senken scheint immer gut zu sein.

5,9 Millionen Minderausgaben bedeutet aber auch real: Mindestens 100 Planstellen weniger!

100 Menschen, die bei der Stadt Herne weniger arbeiten - bei einem zugebenermaßen sehr hohen durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt von 60.000 Euro pro Jahr.

130 Menschen bei einem realistischeren durchschnittlichen Arbeitsentgelt von "nur" 45.000 Euro.

130 Menschen!

  • 15 davon kann man beim Bauordnungsamt anstellen.
  • 7 zusätzlich für den Publikumsverkehr beim Straßenverkehrsamt.
  • Bürgerbüro: 7 ein Viertel zusätzliche Stellen.
  • Eine Stabsstelle "Förderakquise" inkl. Fortbildungsmanagemet für FB-Mitarbeiterinnen für neue "Förderprogramme" könnte ebenfalls neu eingerichtet werden.
  • Und im mittleren bis höheren Dienst wäre eine Entlastung der Verantwortlichen durch ergänzende Mitarbeiterinnen auch immer angezeigt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider kann ich mein Versprechen bzgl. „not the same procedere as last year“ nicht einhalten. Denn wir haben inzwischen einen Stand erreicht, in der es immer weniger möglich ist, mehr Geld einzunehmen bzw. weitere Entlasten durch Einsparungen zu erzielen:

Das Vermögen ist verscherbelt. Die Steuern sind nicht vertretbar weiter zu erhöhen. Dito Gebühren. Was bleiben also zukünftig für Maßnahmen zur weiteren Haushaltskonsolidierung?

(Oder glaubt wirklich jemand, dass dies nicht mehr notwendig sein wird? Gerade auch angesichts der beschlossenen Schuldenbremsen von Bund und Land? Allein jetzt ist schon ersichtlich, dass die 5,7 Millionen aus der HSK-Massnahme 3 „Konsolidierungsbeiträge der Beteiligungen“ nicht erreicht werden können! Den RWE-Aktien haben wir kaum noch!)

Was also bleibt als wirksamste Maßnahme? Personaleinsparungen!

Das sieht übrigens augenscheinlich auch die Verwaltung so. Das steht auch im Haushaltssanierungsplan:

Minderausgaben wg Personalkostenquotierung 2020: 7 Millionen, 2021 8 Millionen, 2022: 9,5 Millionen. Was umgerechnet 2020 weitere 18 bzw. je nach Rechenart 24 Stellen, 2021 34 bzw. 46 und 2022 60 Stellen bzw. 80 Stellen bedeuten würde.

Und anders als noch in den Vorjahren gilt seit April 2017 eine „Wiederbesetzungssperre“ - angeordnet von der Aufsichtsbehörde.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Szenario sieht düster aus. Jetzt geht es ans Eingemachte.

Allein, dass die Peronalkostenquotierung als HSK-Maßnahme deklariert wird, ermöglicht dem Regierungspräsidenten auf 1:1 Umsetzung zu pochen.

Das können und wollen wir nicht mittragen. Darum lehnen wir den Haushalt ab!