Redebeitrag Andreas Ixert zu TO 5, Ratssitzung am 15.3.2022

Fraktion DIE LINKE. Herne/Wanne-Eickel

TO 5 "Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens zum Verkauf der Flächen des ehemaligen Hallenbad Eickel..." –

Herr Oberbürgermeister, liebe Stadtverordnete, verehrte interessierte Anwesenden und Zuschauenden, Unglaublich!!!

Mit diesem einem Wort kann man nur das Vorgehen der Verwaltung kommentieren, einen Versuch zu starten, das erfolgreiche Bürgerbegehren 'Wiederinbetriebnahme Hallenbad Eickel' ad absurdum zu führen.

 

Gerade hat der Rat das erfolgreiche Bürgerbegehren bestätigt und der Aufhebung eines Ratsbeschlusses zum Verkauf des Grundstückes Hallenbad Eickel mehrheitlich zugestimmt.

Und einen Tagesordnungspunkt später soll der Rat nun beschließen, das Grundstück Hallenbad Eickel wieder zu verkaufen - jetzt allerdings an einem privaten Investor.

Unvorstellbar!

 

9.619 wahlberechtigte Herner:innen haben durch ihre Unterschrift unter das Bürgerbegehren zu verstehen gegeben, dass das Gelände des Hallenbades Eickel in städtischem Besitz bleiben soll.

Mindestens 9.619 Herner:innen haben damit eindeutig signalisiert, dass sie mit der von der Verwaltung ursprünglich vorgesehenen Planung nicht einverstanden sind. Eine Planung, die vorsah, das Gelände ‚einer städtebaulich ansprechenden Nachnutzung zuzuführen‘, sprich Wohnbebauung zu realisieren.

Das vorliegende erfolgreiche Bürgerbegehren hat auch den Anspruch formuliert, dass die Einwiohnerinnen selbst entscheiden wollen, was mit dem Hallenbad passiert.

Die Verwaltungsvorlage sieht zwar nun den Neubau eines Lehrschwimmbeckens vor.

Weiter aber heißt es auch, dass ‚zur Erfüllung von wirtschaftlichen und städtebaulichen Vermarktungszielen der Stadt Herne das Kaufgrundstück am Markt angeboten und so eine optimale Grundstücksausnutzung ausgewählt werden‘ soll.

Auf neudeutsch: Es wird ein großes Gebäude geben, in dem dann ein Lehrschwimmbecken integriert sein wird.

Formal korrekt, hintergeht die Verwaltung mit dieser Vorlage defacto den Einwohnerinnenwillen.

Fakt ist: Die Initiative hat eigene Recherchen angestellt, sach- und fachkundige Unterstützung gefunden und eigene Überlegungen, Berechnungen und ein Zukunftskonzept eingebracht. Sich nicht damit zu beschäftigen entmündigt die Einwohnerinnen!

 

Liebe Ratsmitglieder,

Der zur Entscheidung vorliegende Beschluss der Verwaltung entmündigt aber nicht nur die Einwohnerinnen, sondern auch uns gewählte Ratsmitglieder.

1) Wozu haben wir in der letzten Ratssitzung die Einrichtung eines AK Schwimmen lernen in Herne beschlossen, wenn die Verwaltung unabhängig von diesem AK eigene Vorlagen zur Entscheidung vorlegt?

Zwar heißt es in der Vorlage, dass in der ersten Sitzung des AK  am 02.03.2022 das Vorhaben vorgestellt und positiv zur Kenntnis genommen worden sei.

Ganz ehrlich – wenn ich solch einen Satz lese, würde ich davon ausgehen, dass den Mitgliedern des AK diese Vorlage vorgelegt worden wäre!

Dem war aber nicht so!

Was es gab, war lediglich eine mündlich vorgetragene Absichtserklärung, dass die Verwaltung so eine Vorlage in der nächsten Ratssitzung vorlegen will. Nicht weniger – aber auch nicht mehr!

2) Wozu haben wir Gremien wie den Ausschuss für Finanzen, Immobilien und Beteiligungen oder den Sport- bzw. Schulausschuss, die aus fachpolitischer Sicht Beschlüsse vorberaten?

Zuständigkeitsordnung für die Ausschüsse des Rates? Uns doch egal!

Nichts anderes sagt uns die Verwaltung mit dieser Vorlage.

Es sei denn, es gibt andere Erklärungen, warum die Verwaltung vorschlägt, diese Gremien nicht zu beteiligen!

 

Liebe Zuschauerinnen,

diese Vorlage verschleiert zudem allein in ihrer Wortwahl, was die Verwaltung will: Sie will ein PPP-Modell für den Bau eines Lehrschwimmbeckens, ohne den Begriff zu nutzen!

 

PPP heist neutral: Public Private Partnerships. In deutsch: Öffentlich-private Partnerschaften.

PPP heist aber auch: Die Teil-Privatisierung von zuvor allein in staatlicher Verantwortung erbrachten öffentlichen Leistungen! Hier: Ein Privater baut etwas, die Stadt finanziert das wiederum durch gesicherte, langfristige Anmietung.

Wörtlich heißt es in der Verwaltungsvorlage: Der Investor errichtet mindestens ein Lehrschwimmbecken und vermieten dieses langfristig an die Stadt Herne! Das ist PPP

Was uns Erfahrungen aus anderen Kommunen zeigten: PPP ist langfristig wesentlich teurer, als wenn die Kommune selbst baut!

  • Weil PPP so intransparent ist, dass weder Ratsmitglieder geschweige denn Einwohnerinnen die Möglichkeit haben, die detaillierten Verträge einzusehen.
  • Und weil PPP letztendlich  an den Interessen des privaten Investors gekoppelt ist – nicht an dem Öffentlichem.

 

Liebe Ratsmitglieder, liebe Einwohnerinnen in Wanne-Süd,

diese Vorlage ist außerdem defacto ein Freifahrtschein für die Verwaltung und den privaten Investor. Denn: Es gibt im Beschlussvorschlag keinerlei Vorschläge und Begrenzungen über das, was gebaut werden soll:

  • Wie soll ein eventuelles Gebäude auf dem Gelände aussehen? 5 stöckig? Reinbeton? Der Vorlage nach möglich!
  • Welche Nutzungen sind vorgesehen? Sollen dort Eigentums- oder Sozialwohnungen entstehen? Ein Ärztehaus? Selbst ein Parkhaus ist möglich!

Die Feststellung, dass die Ausschreibungsteilnehmer an dem Standort ein Gesamtprojekt realisieren, das mit dem geltenden wirtschaftlichen Interessen vereinbar und planungsrechtlich zulässig ist, ist nichtssagend und muss eigentlich selbstverständlich für jede größere Baumaßnahme sein!

Was auch noch diese Vorlage beinhaltet und kaum jemand weiss: Ein offizielles Ausschreibungsverfahren hat schon rechtsverbindliche Auswirkungen. Allein eine Aufhebung einer Ausschreibung, ohne dass wirksame Aufhebungsvoraussetzungen vorliegen, ist rechtswidrig.  Der öffentliche Auftraggeber, hier: die Stadt Herne, gegenüber den Bietern schadensersatzpflichtig.

Allein, das uns Mitgliedern im Rat der Stadt Herne dem von der Verwaltung ausgewählte zukünftige Investor mit seinen Vorschlägen nicht ausreicht, ist allerdings keine Aufhebungsvoraussetzung!

Vielleicht erhalten wir die Möglichkeit, statt eines 5-stöckigen Gebäudes ein 4-stöckiges zu verlangen. Mehr aber nicht!

 

Liebe Damen und Herren von der SPD, von der CDU, von den Grünen, von der FDP. Lieber Lars Wind:

Stimmen sie für ein transparenter Verfahren. Stimmen sie für offene Diskussionen. Stimmen sie dafür, das auch Einwohnerinnen Fachwissen haben. Stimmen sie für Schwarmintelligenz -

indem sie diese Verwaltungsvorlage ablehnen.

 

Ein Nachtrag: Wir kündigen übrigens jetzt schon an, dass wir diesen Beschluss beanstanden werden, weil unserer Einschätzung nach mit der Zustimmung zum Bürgerbegehren „Wiederinbetriebnahme des Hallenbads Eickel“ der Stadt generell zwei Jahre untersagt ist, das Grundstück überhaupt zu verkaufen, auch nicht an einen anderen Dritten („Investor“).