Haushaltsrede von Veronika Buszewski

Rat der Stadt

Sehr geehrte Damen und Herren,

"Unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und Entwicklungen ist es der Stadt Herne insgesamt nicht gelungen, eine formal genehmigungsfähige Fortschreibung des HSP aufzustellen." So steht es im Haushalt der Stadt Herne 2018.
"Formal nicht genehmigungsfähig"
Wie lauteten noch die Versprechung 2012, als wir dem Stärkungspakt freiwillig beigetreten sind? "Seit langer Zeit bietet sich erstmals eine Chance, den bisher ungebremsten Anstieg städtischer Verschuldung zu stoppen und damit kommunale Handlungsfähigkeit zurück zu gewinnen." (Verwaltungsvorlage, Rat, 27.3.2012)

Hier ein paar Zahlen:
Die Stadt Herne erhält bis 2021 Konsolidierungshilfen von insgesamt 115 Millionen. Voraussetzung für die 115 Millionen ist aber, das die Stadt Herne selbst einen Konsolidierungsbeitrag in Höhe von ca. 250 Millionen leisten muss. Und das hat die Stadt getan! Durch "Aufwandreduzierungen" - wie es so schön euphemistisch "für Kürzung von Leistungen" heißt: Beispiele?

  • Reduzierung des Pflegeaufwands und Rückbau von Spielplätzen
  • Personalaufwandsreduzierung im Fachbereich Stadtgrün
  • Reduzierung der Gebäudereinigungskosten
  • Reduzierung des Personals durch Ausnutzung der Fluktuation
  • Reduzierung Fortbildungsaufwand
  • Reduzierung der Baukosten in der Gebäudewirtschaft
  • Reduzierung Kosten Erziehungshilfen
  • Senkung des Anteils öffentliches Grün im Bereich der Friedhöfe

Oder durch "Ertragssteigerungen" - entweder durch Verkauf öffentlichen Eigentums oder durch Erhöhungen von Gebühren und Steuern. Beispiele?

  • Konsolidierungsbeiträge der Beteiligungen
  • Anpassung Schulinfrastruktur
  • Rückbau der Sportinfrastruktur
  • Ertragsverbesserung durch Grundstücksvermarktung
  • Vermarktung anstehender Gewerbeflächen
  • Erhöhung Grundsteuer
  • Erhöhung Gewerbesteuer
  • Erhöhung des Verpflegungsentgeltes in Kindertagesstätten

Insgesamt über 110 Maßnahmen - von 10.000 Euro pro Jahr bis zu 10. Millionen Euro pro Jahr.

Und das Ergebnis:
"Unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und Entwicklungen ist es der Stadt Herne insgesamt nicht gelungen, eine formal genehmigungsfähige Fortschreibung des HSP aufzustellen."
Sportplätze geschlossen - für nix? Schulgebäude - für nix? Stadtteilbibliotheken, die Trauerhalle auf dem Ostfriedhof - alles für die Katz! Gebührenerhöhungen zu Lasten der Hernerinnen - alles umsonst?
Die Stadt Herne weist schon seit 2016 eine bilanzielle Überschuldung aus und es ist nicht zu erwarten, dass die Stadt Herne die Überschuldung innerhalb des Finanzplanungszeitraums bis 2021 wieder überwinden, geschweige denn die für einen positiven Aufbau des Eigenkapitals notwendigen mehreren Millionen Jahresüberschüsse über einen längeren Zeitraum erwirtschaften kann.
So steht es in der Haushaltssatzung!
Das Ergebnis heute nach 7 Jahren Stärkungspakt!
Wir könnten jetzt ja sagen, das haben wir schon immer gesagt!
Aber wir verweisen lieber auf das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, das in seiner neusten Studie zum Stärkungspaktgesetz festgestellt hat, dass für zwei Drittel der beteiligten Städte die Sanierung ihrer Finanzen nicht nachhaltig sein wird.
Nachhaltigkeit ist aber genau das, was wir brauchen.
Wir brauchen schon allein deswegen Nachhaltigkeit, damit der kommunale Haushalt nicht sofort "ins Rote" rutscht bei Entscheidungen, die der Landtag oder der Bundestag trifft. Wie zum Beispiel aktuell die Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes oder in der  Vergangenheit die Änderung im Bundesteilhabegesetz.
Finanzen können aber auch nicht nachhaltig saniert werden, weil schon die Aufstellung der HH-Pläne einen strukturellen Fehler innehat: Die "Darstellung" von Zahlen, fast unabhängig von der tatsächlichen Realisierbarkeit.
Als Beispiel sei hier nur die Sanierungsmassnahme "Konsolidierungsbeiträge der Beteiligungen" genannt. Jeder, der aufmerksam die Unterlagen liest, weiß jetzt schon, das die eingeplanten 10 Millionen Euro jährlich nie und nimmer erreicht werden können!
Stellt man immer nur dar, schiebt man Zahlen auf dem Papier immer ins nächste Jahr mit!
Nachhaltig bedeutet, Schuldenabbau und gesicherte, sprich: mindestens ausreichende Finanzierung.
Dazu zählt natürlich der Grundsatz "Einhaltung der Konnexität" - also: "Wer bestellt, soll auch die Kosten übernehmen". Will jede große Partei, macht nur keine große Partei!
Was unseres Erachtens aber wesentlich elementarer ist: Kommunen müssen über eine solide Grundfinanzierung verfügen können.
Allein die Erhebung der Vermögenssteuer, wie wir Linke sie vorschlagen, würde für die Stadt Herne jährlich Mehreinnahmen von geschätzt mindestens 30 - 40 Millionen bedeuten.Die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage würde Städte und Gemeinden um ca. 15 Milliarden entlasten. Für Herne bedeutet dies Mehreinnahmen von mindestens 5 Millionen

Zur Erinnerung: Aus dem Stärkungspakt gibt es für 10 Jahre 115 Millionen. 250 Millionen muss dazu die Stadt Herne in 10 Jahren "sparen". Macht 365 Millionen in 10 Jahren. 10 Jahre Vermögenssteuer hätte 300 - 400 Millionen Euro Mehreinnahmen bedeutet. 10 Jahre Verzicht auf die Gewerbesteuerumlage hätte 50 Millionen Euro eingebracht.  Die entlarvende Anmerkung "Unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und Entwicklungen ist es der Stadt Herne insgesamt nicht gelungen, eine formal genehmigungsfähige Fortschreibung des HSP aufzustellen." hätte nicht aufgestellt werden müssen.
Übrigens, eine Anmerkung noch: Um gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen und Kommunen zu schaffen, halten wir ein verbindliches Anhörungs- und Mitwirkungsrecht der Kommunen auf Bundesebene, wenn Gesetzentwürfe und Verordnungen erarbeitet werden, die kommunal relevant sind für zwingend notwendig. Wäre das der Fall, hätten wir vermutlich schon längst eine Vermögenssteuer!


Veronika Buszewski
Haushaltsrede, Rat der Stadt Herne, 28.11.2017

 

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