Rede zum Klimanotstand Herne

Rat der Stadt

Herr Oberbürgermeister, verehrte Stadtverordnete, liebe BesucherInnen auf der Zuschauertribüne,

Von Konstanz bis Kiel, in Münster als auch Bochum wurde der Klimanotstand ausgerufen und heute wohl auch in Herne. Ganz ehrlich: Wir mussten lange überlegen, ob wir den vorliegenden Beschlussvorschlag der Großen Kooperation zustimmen wollen. Nicht, weil wir der Meinung sind, dass es nicht Zeit wird, etwas gegen den Klimawandel zu tun – auch kommunal. Aber weil man sich die Entwicklung dieses vorliegenden Antrags noch einmal vor Augen führen und hinschauen muss, was jetzt vorliegt. Da gibt es im Ausschuss für Bürgereingaben einen Antrag engagierter EinwohnerInnen für eine Resolution, sich für den Klimanotstand auch in Herne auszusprechen. Der wird in den Umweltausschuss überwiesen. Dort stellen die Grünen einen Antrag, der nicht nur Resolution will, sondern die Ausrufung des Klimanotstandes. Dieser Antrag wird dann durch einen Änderungsantrag von SPD und CDU ersetzt, der jegliche Verbindlichkeit aus dem Antrag streicht. Ein Änderungsantrag der Grünen dazu wird abgelehnt.

Natürlich ist auch uns klar: Die Ausrufung eines „Klimanotstandes“ hat defacto nur eine symbolische Wirkung, keine Rechtsverbindlichkeit.
Aber dieser rein symbolische Akt kann ergänzt werden um konkrete Inhalte, Maßnahmen – wie es in den meisten Kommunen, die bisher den Klimanotstand ausgerufen haben, auch geschehen ist.
Die Idee, örtlich den Klimanotstand auszurufen, ist auch ein Anliegen der Fridays for Future Bewegung und die müssen wir Ernst nehmen. Da sorgt sich die Jugend um die Zukunft des Planeten und damit auch um ihre eigene.

Doch in Herne? Fehlanzeige!
• Lesen wir irgendwo, das Herne sich zum Ziel setzt, bis zum Jahre 2030/2035 klimaneutral zu werden?
• Stellt sich Herne der Aufgabe, dass neue Wohn- und Gewerbegebiete so ausgelegt werden, dass Dachflächen mit Solarmodulen ausgerüstet werden können und müssen. (Und wir reden da nicht von einer allgemeinen Solardachpflicht, wie es auch einige Kommunen beschlossen haben!)
• Fordert Herne bei zukünftigen Baumaßnahmen verpflichtend ab dem Jahr x einen Nachweis der Klimaneutralität?
• Wie sieht es aus mit der Ausweitung und besseren Vertaktung des ÖPNV? (Dürfte doch eigentlich nicht schwer sein). Da kriegt Herne es hin, in derselben Sitzung ein Konzept für klimafreundliche Mobilität zu verabschieden, um einen TOP weiter die Taktausdünnung im ÖPNV zu beschließen

Ist Ihnen das alles zu kompliziert? Dann vielleicht ein paar einfache Forderungen/Maßnahmen:

• Wurde seitens der Großen Kooperation überhaupt angedacht, dem Fahrradverkehr Vorrang vor dem motorisierten Verkehr zu gewähren?
• Wie sieht es mit folgendem Satz aus: „Herne fördert innerörtliche Begrünungsmaßnahmen, Blühgärten und den Erhalt und Schutz von alten Baumbeständen. Ökologisch tote Steingärten sollten wieder in (Vor)gärten überführt werden und in neuen Baugebieten grundsätzlich untersagt werden.“
• Und hier was eigentlich Selbstverständliches: „Die Verwaltung wird beauftragt in Kooperation mit den wirtschaftlichen Töchtern der Stadt einen Zielkatalog Klimaschutz für diese Töchter zu entwickeln und dem Rat zur Beschlussfassung vorzulegen.“

Wir könnten noch viele andere Punkte nennen. Doch wir sehen davon ab, denn wir ahnen schon, was Sie, liebe SPD und CDU, sicher anmerken werden:
Diese Punkte gehören nicht in einen Beschlussvorschlag mit apellativem Charakter.
Nun: Da kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Denn alle o.g. Vorschläge haben nicht wir LINKE uns alleine ausgedacht, sondern stammen aus Beschlüssen anderer Kommunen. Und die haben das mit sozialdemokratischen als auch christdemokratischen OBs beschlossen.

Aber selbst wenn wir Ihre Meinung teilen: Die Vorlage ist dennoch völlig unzureichend, um die geforderten Ziele beim Klimaschutz einzuhalten. Das zeigt sich an dem, was sonst noch fehlt: Richtschnüre, Zielvorgaben.

1. „Herne orientiert sich für zukünftige Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels an den Berichten des IPC“. Fehlt vollkommen – ist aber fester Bestandteil aller Klimanotstands-Beschlüsse und war auch im Resolutionsantrag im Bürgerausschuss enthalten.
2. Auch, dass die Verwaltung lediglich beauftragt wird, einmal jährlich über die CO2-Emissionen zu berichten, ist völlig unzureichend. Da der Verwaltung mit dieser allgemeingültigen Aussage keine Vorgabe von Zielen und Zeitlinien mit auf den Weg gegeben wird, ist eine reine Zahlenstatistik von Einsparmaßnahmen zu erwarten. Ob man mit den eingeführten Maßnahmen auf dem richtigen Weg ist, lässt sich jedoch ohne klare Zielvorgaben nicht beurteilen.

Den Klimanotstand ausrufen, ist einfach! Das passt in die tagespolitische Aktualität, ist hip (Grünen-Hype, FFF) und soll öffentlich wirksam zeigen: Auch wir sind für Klimaschutz!
Aber konkrete kommunale Maßnahmen oder Zielvorgaben wider den Klimanotstand und für eine "Klimazukunft Herne" zu beschließen, ist in Herne anscheinend unmöglich! Nur so lässt sich erklären, dass seitens der Kooperation nur die einfache Darstellung der Klimapolitischen Auswirkungen - positiv wie negativ - von zukünftigen Maßnahmen im Ausschuss für Umweltschutz abgelehnt (ich betone: nicht verzichtet, sondern bewusst abgelehnt) wurde.
Die Begründung der Ablehnung - gegeben übrigens von Hr. Friedrichs von der Verwaltung und nicht von SPD und CDU selber - ist dabei ein Hohn.
Sinngemäß. "Das sei nicht praktikabel. Wenn z.B. eine Schule oder eine KiTa neu gebaut werden sollte, würde sie negativ bewertet werden, obwohl keiner was gegen einen Neubau habe."
Selten so ein - mit Verlaub - Quatsch gehört: Auch Schulen kann man klimaneutral bauen!
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher,
Trotz Quatsch, trotz Belanglosigkeit: Wir werden der Vorlage dennoch zustimmen. Denn es ist
trotzdem richtig, festzustellen, dass inzwischen Klimanotstand herrscht. Auch in Herne.
Allerdings sehen wir es als unsere Aufgabe an, in den kommenden Monaten diesen allgemeinen und unzureichenden Beschluss aufzuwerten.Ich habe gerade einige Beispiel genannt. Doch es gibt noch viele mehr Vorschläge, Konzepte, Ideen. Von einer kleinen Einzelmaßnahme bis hin zu langfristigen Strategien.

Liebe Hernerinnen und Herner!

Lassen Sie uns alle sammeln – in einer Ideen- und Planungswerkstatt „Klimazukunft Herne“, zu der wir demnächst einladen werden.

 

Rede Veronika Buszewski, Rat der Stadt, 18.6.2019

 

 

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